Eine charmante Begegnung am Fischwasser

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Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Lupus » 18.02.2020, 07:00

Auch diese Geschichte spielte sich Mitte der 70er Jahre an einem Wiener Gewässer ab. Ich war gerade stolzer Besitzer einer Jahreskarte, und das Revier war für mich, der ich noch auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war, nach der sprichwörtlichen Odyssee mit Straßenbahnen, Stadtbahn und Autobus immerhin erreichbar. So pilgerte ich als „1-Mann-Karawane“ (2 Rutenfutterale, Rucksack, Köderwandl, Klappsessel) wieder einmal in der letzten Juniwoche, als die Schulzeit knapp vor der Zeugnisverteilung nur mehr eine „Formsache“ war, mit froher Erwartung am Nachmittag an die Stätte meines fischereilichen Wirkens.

Dort angekommen, war „mein“ üblicher Angelplatz schon besetzt, aber ….ohooo !!!....,von einer fischenden jungen Dame. Sie war wohl Ende 20 bis Anfang 30, hübsches anmutiges Gesicht, zwar nicht sehr fischereilich gekleidet mit ihrem schneeweißen Leiberl und adretten Jeans, aber für mich heißblütigen Teenager, dessen Herz gerade erwacht war, ein traumhafter Anblick.

Ich muß dazu sagen, zu jener Zeit ein noch recht schüchterner, zwar hochgewachsener aber schlaksiger Teenager gewesen zu sein, der leider punkto Frauen noch keinerlei Erfahrungen hatte, weil unglückseligerweise meine „Zielgruppe“ einige Etappen zu hoch war für das Wenige, was ich hätte bieten können. Natürlich gab es zwar von einigen gleichaltrigen Klassenkolleginnen die eine oder andere schüchterne „Einladung, zu zweit in´s Kino zu gehen“, jedoch bekam ich bei den Interessentinnen keine Schmetterlinge im Bauch. Ich träumte ziemlich unrealistisch vom Typ „Chefsekretärin Mitte, Ende 20, dezentes Make-Up, Endlosbeine, hochhackige Schuhe“, was für mich schlicht und einfach damals natürlich unerreichbar war.

Dazu kam noch, dass mein „Marktwert“ unbeschreiblich miserabel war. Ich war zwar wie gesagt hochgeschossen, aber viel zu dünn, und das einzig Markante in meinem noch viel zu schmalen Gesicht war meine etwas zu schnell gewachsene Nase. Meine Unsicherheit „kaschierte“ ich durch lange Haare, den ersten Bartflaum und wie damals üblich zerfetzte ausgewaschene Jeans.

Meine Freizeitinteressen hätten auch kaum eine „Traumfrau“ aus der Reserve locken können, denn der Umstand, dass ich in jungen Jahren schon eine erkleckliche Anzahl von Karpfen und Hechten an Land befördert hatte, und sogar schon zaghaft mit der Fliegenrute umgehen konnte, mochte mir keinen weibliche Fangemeinde verschaffen.

Man sagt, dass die Musik die Herzen näher zusammenrücken läßt. Aber oh weh! Mein Musikgeschmack stand im krassen Gegensatz zu dem, was damals „in war“, wo man in Beatschuppen oder Discos dazu hopste (ich weiß nicht mehr was es war, irgendwelche Sachen wie „Ma ma ma…mama ma luu“, oder „Mexikoooo“, was weiß ich). Für mich „groovte“ das alles nicht, meine Welt war und ist der Jazz. So fanden sich in meinem Jugendzimmer keine der üblichen Platten, mit denen man bei Mädels die Stimmung heben kann, sondern als fanatischer Jazz-Fan waren die Helden meiner Jugend „Charlie Parker, Miles Davis, Charles Mingus, Thelonious Monk …..etc.“ und sind es auch heute noch.

Mit diesen trüben Aussichten kam aber mein Herz beim Anblick der jungen blonden Fischersmaid in regelrechte Wallungen und ich dachte mir „mein Gott, hübsch ist sie, das richtige Alter für ein „Schulschiff“ hat sie, und: FISCHEN TUT SIE!!!"

Ich grüßte sie schüchtern, sie lächelte huldvoll zurück und ich setzte mich ca. 10m weiter seitlich hin und bereitete meine Zeugln vor, immer wieder verstohlen zu ihr hinblickend.

Auf einmal tat ihr „Bummerl“ (Bissanzeiger) einen leichten Hüpfer. Sie flötete ein süßes „huch!?“, schlug etwas linkisch an…..nichts! Die Montage flog leer zurück, und war ganz schön ordentlich verwickelt. Sofort lief ich zu ihr, kniete nieder und murmelte schüchtern „darf ich helfen, gnädig´s Fräulein?“ Sie lächelte abermals huldvoll und gestattete es mir. Ich entwirrte den Mordstrumm „Mangel“ und übergab ihr die wieder einsatzbereite Montage, wobei ich darauf bedacht war, kurz einen Finger von ihr zu berühren, worauf mir das Blut in den Kopf schoß und ich mich, nachdem sie mit silberheller Glockenstimme ein „danke“ gesagt hatte, schweißgebadet und zitternd wieder an meinen Platz zurückzog.

Von da ab suchte ich jede Gelegenheit, ihr kleine Kavalierdienste erbringen zu dürfen, sodass ich fast ganz auf die eigene Fischerei vergass. War bei ihr ein Zigaretterl fällig, so hastete ich sofort hin, gab ihr Feuer und versuchte, ihr in die Augen zu blicken.

Blieb bei ihr doch einmal ein Fisch hängen (meistens ein halbstarkes Brachserl), so war ich mit einem Satz zur Stelle, um das schleimige Viech vom Haken zu lösen, damit sie ihre hübschen Händchen nicht schmutzig machen muß, und köderte für sie wieder an, immer darauf bedacht, vielleicht wieder „rein zufällig“ einen ihrer Finger zu berühren.

Schon saß ich wieder voller sehnsuchtsheißer romantischer Träume an meinem Platz und malte mir aus, wie ich sukzessive vielleicht etwas mehr aus dieser zunächst einseitigen Romanze machen könnte. Mein Gott, ein Traum, eine hübsche junge Frau, alleine am Wasser, fischen geht sie, und sie muss ja schon einfach erkannt haben, dass ich der Richtige bin für sie. Was könnte ich ihr endlich sagen? Vielleicht so: „Liebe schöne Fischersmaid, deren Name ich nicht kenne. Du spürst die leisen Zeichen meiner tiefen und ehrlichen Gefühle für Dich. Erhöre sie und wisse, dass ich nur noch ein paar Klassen Schule bis zur Matura habe, diese Wartezeit werden wir schon überbrücken und dann nehme ich Dich zu meiner Frau und wir werden glücklich sein bis an´s Ende unserer Tage.“

Während ich in diesen Tagträumen fieberte, wurde es langsam Abend. Plötzlich hörte ich ein Auto nahen, eine Tür schlug zu, und ein recht forsch aussehender Mann um die 30, mit Fischzeug bewaffnet, steuerte auf die schöne Maid zu, nahm sie in die Arme, küsste sie und baute seinen Fischplatz neben ihr auf. Alles klar: Ihr Freund, Lebensgefährte, Ehemann, was weiß ich. Irgendwie muß er instinktiv gemerkt haben, dass ich mit Stielaugen immer zu seiner Angetrauten hinübergeblickt hatte oder vielleicht hat er auch meine nicht ganz uneigennützigen kleinen Hilfsdienste in letzter Phase registriert. Jedenfalls sah er mich mit einem gar nicht symphatischen fixen Blick an, verstärkt durch den verwegenen über die Mundwinkeln tief herabhängenden Schnurrbart (damals recht üblich), als ob er sagen wollte „heast du klaana Gschissana, wos schaust so deppaat, wüüst an Wickl habn oder wos?“

So war mein zarter Jugendtraum wie eine Seifenblase zerplatzt, es blieb mir nichts anderes mehr übrig, als mich auf die Fischerei zu konzentrieren und wahrscheinlich verschaffte mir Petrus an diesem so verheißungsvoll begonnenen, aber so traurig endenden Tag als Trostpreis doch noch einen abendlichen maßigen Zander oder ähnliches.
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von doubleH » 18.02.2020, 07:10

Hallo Lupus,

Wunderschöne Geschichte...da kommen in einem selber auch gleich ein paar Erinnerungen hoch :)

Danke dafür!

Tight Lines,
Helmut
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Romario » 18.02.2020, 08:55

WELTKLASSE!!!
du klana Gschissana ...
hab grad so laut aufgelacht dass das ganze Büro wissen wollte, was so lustig ist ...?
such noch nach Ausrede :)
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von grusteve » 18.02.2020, 12:04

Ja,ja, die Leiden des jungen Lupus ! Zum Glück ohne jeden anhaltenden schlechten Ausgang.

Ich glaub auch, dass da jeder von uns ähnliche Gschichterl in seiner Jugend erlebt hat.

...Aber so schön wie du erzählen können wirs halt nicht ! :lol:

LG
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Lupus » 18.02.2020, 12:17

grusteve hat geschrieben:
18.02.2020, 12:04
Ja,ja, die Leiden des jungen Lupus ! Zum Glück ohne jeden anhaltenden schlechten Ausgang.

Ich glaub auch, dass da jeder von uns ähnliche Gschichterl in seiner Jugend erlebt hat.

...Aber so schön wie du erzählen können wirs halt nicht ! :lol:

LG
Früher hätte ich sie auch nicht so gut erzählen können. Was es dazu nämlich brauchte, ist die Distanz zur Jugend. Solche kleinen tollpatschigen Verliebtheiten wie bei der fischenden Maid hier, und auch in der anderen Geschichte von "der schönen Müllerin" kann man am besten schreiben, wenn man aus der Sicht des längst reifen Mannes rückwirkend die Komik dieser Situation erkennt und am besten über sich selber lachen kann.

Noch vor paar Jahrzehnten hätte ich so eine Geschichte nicht geschrieben. Da will man nicht als "Antiheld" darstehen, sondern als Weiberheld mit lauter gelungenen "Aufrissen" , so ähnlich wie man als Fischer allzugerne Fangberichte schreibt, aber eher ungern "Schneiderberichte" :lol:
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von doubleH » 18.02.2020, 13:57

Lupus hat geschrieben:
18.02.2020, 12:17
Noch vor paar Jahrzehnten hätte ich so eine Geschichte nicht geschrieben. Da will man nicht als "Antiheld" darstehen, sondern als Weiberheld mit lauter gelungenen "Aufrissen" , so ähnlich wie man als Fischer allzugerne Fangberichte schreibt, aber eher ungern "Schneiderberichte" :lol:
Hahaha, da hast du absolut recht :lol: :lol: :lol: :prost:
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von rob gone fishing » 18.02.2020, 18:28

warst eh keck lupus! ich hätt mich mit dem alter nicht getraut daneben zu setzen und auch noch zu helfen. die fingerberührung war in diesem fall ein voller erfolg und ist in dem kontex als beischlaf zu werten! :lol:
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von grusteve » 18.02.2020, 19:28

rob gone fishing hat geschrieben:
18.02.2020, 18:28
die fingerberührung war in diesem fall ein voller erfolg und ist in dem kontex als beischlaf zu werten!
Da hab ich jetzt schmunzeln und glucksen müssen !

...ein bisschen ein interruptus halt ! :lol: :up2:

LG
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Lupus » 19.02.2020, 07:01

Wahnsinn, jetzt hab ich aber lachen müssen über Eure Kommentare. :lol: :lol: :lol:

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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Michael79 » 22.02.2020, 11:18

Armer Jung-Lupus, aber ich denke, dass es mir heute noch so gehen könnte. :lol:
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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Lupus » 23.02.2020, 14:12

Michael79 hat geschrieben:
22.02.2020, 11:18
Armer Jung-Lupus, aber ich denke, dass es mir heute noch so gehen könnte. :lol:
Haha, ja, das sind die Liebesqualen eines Teenagers.

Ich habe zweimal im Zusammenhang mit dem Fischen "für die Liebe leiden müssen" . Das eine Mal war dieses hier, und das zweite Mal war das mit der geheimnisvollen schönen Müllerin, in die ich schwer verliebt war :lol: natürlich auch nur platonisch, aber damals wäre ich gerne was anderes gewesen als bloss ein heißblütiger Teenager.

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Re: Eine charmante Begegnung am Fischwasser

Beitrag von Kaindlau » 23.02.2020, 22:34

Servus Lupus

Wieder ein gelungenes Beispiel von dir, wie man alte "Gschichtl'n" spannend und amüsant schreiben kann.
Vielen Dank dafür.
Zu dieser Geschichte fällt mir ein Lied von Andre Heller ein, der 1976 gesungen hat
"Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo"

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