So sind wir-sind wir wirklich so?

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Kaindlau
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So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von Kaindlau » 07.11.2017, 21:36

Servus

Warum Angeln? Die schönste Form des Scheiterns

Unter dieser Überschrift beschreibt der SPIEGEL-Redakteur Christoph Schwennicke auf Humorvolle Art wie es uns am Wasser ergehen kann, und warum uns
"Nichtangler" nie verstehen werden.



Wir Angler haben ein Problem. Wir haben im Grunde sehr viele Probleme. Unser größtes Problem aber sind wir selbst. Angler sind, nun ja, nicht per se sexy. Die meisten Frauen haben ein Problem damit, dass jemand mit bloßen Händen einen Tauwurm oder einen Wattwurm auf einen Haken aufzieht und sie hinterher mit den gleichen Händen anfassen möchte, gewaschen hin oder her. Sie brauchen eine Weile, um zu begreifen, dass Hände, die ein 16er-Häkchen an eine 0,10er Schnur binden können, feinmotorische Fähigkeiten bieten, die auch bei anderen Gelegenheiten von Vorteil sein können.

Aber der Angler bleibt der Mann für den zweiten Blick, bestenfalls. Ich glaube, was den Frauen am Fischen missfällt, ist neben der einen oder anderen unappetitlichen Begleiterscheinung die Ungewissheit. Sie haben es gerne planbar. Angeln aber ist nicht planbar, sondern eine Tätigkeit mit tausend Unbekannten. Das fängt beim Einkauf an. Soll man nun etwas fürs Abendessen besorgen, oder kann man damit rechnen, dass es nach dem Angelausflug Fisch gibt?

Oder die Tagesplanung im Urlaub. Im Prinzip geht es nur um drei Stunden netto am Wasser, die wir uns ausbedingen. Aber diese drei Stunden bestimmen dann den Ablauf des ganzen Tages. Jetzt ist zu viel Wind, nachher ist Ebbe, und wenn Flut und Windstille wäre, wäre meine Frau am liebsten mit dem Auto in der nächsten Stadt.

So kommt es zu fundamentalen Wahrnehmungsunterschieden. "Den ganzen Urlaub geht es nur um dein Scheißangeln", sagt sie. "Jetzt bin ich einmal in diesem herrlichen Angelland und komme nie zum Angeln", denke ich mehr als ich es laut zu sagen wage. Das Schlimme ist: Wir haben beide recht.

Fleischmaden auf Wanderschaft

Oder die unterschiedlichen Vorstellungen davon, wofür ein Kühlschrank gut ist. Man weiß gar nicht mehr so recht, wie die angelnde Menschheit ein Leben ohne Biofresh-Zone bewältigt hat. Die Biofresh-Zone ist ein Wunder der Technik. Legt man etwa einen Salatkopf in dieses etwas über Null Grad kalte Fach im Kühlschrank, so scheint das Blattwerk mit jedem Tag, der vergeht, noch frischer und knackiger zu werden.

Aber seine ganze Klasse spielt das Biofresh-Fach erst bei Fleischmaden aus. Diese Maden, die aus Eiern schlüpfen, die Fliegen in Aas legen, sind ein unschlagbarer Köder für Weißfische, und die wiederum braucht der Raubfischangler, wenn er Hechten, Barschen oder Zandern nachstellen möchte. Früher, vor dem Biofresh-Fach dauerte es nur wenige Tage, bis sich die Maden in ihrem Sägemehl in der Plastikschale verpuppten und sich als Köder nicht mehr eigneten.

Meine Frau teilt grundsätzlich meine Begeisterung für das Biofresh-Fach, nicht aber als Frischhaltelager für Fleischmaden. Der ein oder andere Vorfall hat die Fronten etwas verhärten lassen. Man muss nämlich wissen, dass die Plastikschalen, in denen die Maden verkauft werden, nicht eben für die Ewigkeit gemacht sind. Als meine Frau das erste Mal die Maden auf Wanderschaft im Biofresh-Fach entdeckte, kühlte sich ihr Ton ungefähr auf die Temperatur jenes Faches ab.

Wir haben mit vielen Missverständnissen zu kämpfen. Die Leute glauben, wir angeln, um Fische zu fangen. Sie verstehen uns nicht. Sie haben gar nichts verstanden.

Ich jedenfalls will keine Fische fangen. Man stellt sich nicht stundenlang an einen Fluss, man übernachtet nicht tagelang an einem See, man kämpft nicht einen endlosen Tag auf See gegen den Brechreiz an, um Fische zu fangen. Man macht das, um meistens keine Fische zu fangen. Das ist der tiefere Sinn der Sache.

Meistens keine Fische zu fangen - darin liegt der Reiz, das höchste Glück, das nur noch vom Glück übertroffen wird, ab und zu mal einen Fisch zu fangen. Wer Fische nach Hause tragen will, geht zur Nordsee oder zu Reichelt um die Ecke. Zum Angeln aber geht der, der Fische nach Hause tragen möchte, nicht. Wir Fischer scheitern meistens, und wir scheitern gern. Im Fischen findet das Scheitern seinen höchsten Ausdruck. Denn nur wenn wir neunmal gescheitert sind, können wir einmal auch ein überglücklicher Mensch sein.

Dies soll der Versuch sein, zu erklären, warum hierzulande mehr als drei Millionen Männer an einem See oder einem Fluss stehen und Löcher in die Wasseroberfläche starren. Stundenlang, tagelang. Und warum das die übrigen 77 Millionen nicht verstehen. Wir müssen den anderen klar machen: Wir sind vielleicht ein bisschen verrückt, aber im Grunde sind wir ganz nett.

Das Problem beginnt bei der Anmutung. Unsereins steht manchmal in Kleidungsstücken am See oder am Fluss, bei denen andere zögern würden, sie in einen Altkleidercontainer zu werfen, weil auch Mitmenschen, die auf diese Spenden angewiesen sind, ein Recht auf einen Rest an Menschenwürde haben. So stehen wir dann da, gekleidet wie eine Vogelscheuche und auch ungefähr so lebendig, den Kopf tief zwischen den Schultern versenkt, die Kapuze eines alten Bundeswehrparkas über das Haupt gezogen, den Blick aufs Wasser geheftet.

Nur ganz Unerschrockene wagen die Frage:

"Na, beißt was?"

Eine nette Frage eigentlich, aber nur dann, wenn sie an ein normales Sozialwesen gerichtet wird, nicht an einen durchschnittlichen Angler. Der dreht sich um, blickt mürrisch und stößt im besten Fall eine einsilbige Ansammlung von Konsonanten aus, die sich wie "Mrrff" anhört und dem Knurren eines Rottweilers ähnelt. Wir sind schlechte Botschafter unserer Sache. Warum reichen wir dem kleinen Jungen nicht mal die Rute, dass er sie halten darf. Warum reden wir nicht flüssig und in Sätzen aus Subjekt-Prädikat-Objekt darüber, was so drin ist im See.

Es muss dringend was gegen diese interkulturelle Kluft getan werden. Normale Menschen müssen verstehen lernen, warum wir eine Party um zwölf verlassen, weil der Wetterwechsel für den nächsten Morgen um halb fünf am See gute Aussicht auf einen Fisch verspricht. Sie müssen verstehen lernen, warum es ein existenzielles Erlebnis ist, den Biss einer Schleie in klarem Wasser mitzuerleben, die in nervenzehrenden Runden um unseren Köder kreist, wieder und wieder, zweimal wegschwimmt, wiederkommt und den Cocktail aus Mais und Mistwurm dann doch endlich einsaugt, ganz langsam. Sie müssen verstehen lernen, warum Peter Ramsauer von der CSU die Politik im Grunde nur angelnd aushält und ein Mann wie Donald Klein aus Lambsheim einmal für seine Angelleidenschaft 15 Monate in einem iranischen Geheimdienstgefängnis verbracht hat und die Welt in Atem hielt.

Will nach allen Regeln der Kunst verführt werden, der Lachs

Man kann diese Erfahrung durch nichts ersetzen. Man kann nur bedingt beschreiben, was passiert, wenn sich die Pose zitternd in Bewegung setzt und langsam abtaucht, die Schnur in Ringen von der Rolle gezogen wird. Es ist ein Kick, der nur wenigem gleichkommt. Und das lange Warten auf diesen Moment macht ihn erst zu einem großen Moment. Man könnte auch in eine Forellenzucht gehen, auswerfen und postwendend den ersten Fisch anlanden. Aber das ist es nicht. Das Glücksgefühl, der Kick, stellt sich nur ein, wenn man vorher das lange Darben und Warten hinter sich gebracht hat. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Es geht nicht anders. Das ist der Kick, das ist der Sex an der Sache.

Einer britischen Umfrage zufolge haben zwei Drittel der befragten Angler auf die Frage, ob sie lieber einen großen Lachs an der Angel oder ein Supermodel im Bett hätten, sich für den Lachs entschieden. So ein Lachs ist im Grunde auch viel erotischer als so ein makelloses Supermodel. Er hat eigentlich gar keine Lust auf etwas zu fressen, wenn er die Flüsse hinauf zieht und will nach allen Regeln der Kunst verführt werden, der Lachs, und hat er dann aber erstmal angebissen, dann geht es voll ab. Hinterher ist man völlig erschöpft, aber unendlich glücklich und befriedigt.

Natürlich kann ich mich an das erste Mal erinnern. Jeder Mann kann sich an das erste Mal erinnern. Das erste Mal, ich war gerade sieben geworden, tat ich es mit einer zart grünen Vollglassteckrute. Mein Vater hatte das an Jahren ehrwürdige Stück von einem Kollegen geschenkt bekommen. An dieser hellgrünen Rute ruckte und zuckte meine erste Forelle. Der besagte Kollege hatte meinem Vater erlaubt, an seiner Forellenstrecke zu fischen, und, wie es sich für einen siebenjährigen Jungen gehört, habe ich ihn bewundert, wie er den ersten Fisch fing. Den zweiten hat er generös mir überlassen.

Dieses Erlebnis hat mich nie wieder losgelassen.

Petri aus Enns
Der vielleicht letzte klassische Ansitzangler Österreich`s
http://spazio3.com

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von magut » 08.11.2017, 06:24

:up2: :up2: :up2: :up2: :up2: :up2: :up2: :up2: :up2:
LG
Mario

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von fishracer » 08.11.2017, 07:27

Perfekt !!!!!! SUPER
Fish and Race

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von Moosruecken66 » 08.11.2017, 13:08

Dem ist nichts hinzuzufügen ... :up2:
Ein Schiff liegt sicher im Hafen, aber dafür wurde es nicht gebaut. (Chin. Sprichwort)

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von berger0109 » 08.11.2017, 15:12

oh yeah, ganz genau so sind wir...... :lol:
TL
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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von da_cesa » 08.11.2017, 15:22

sehr geil und treffend. danke
untermaßige Fische sollen schonend behandelt werden - Große ritterlich... (Z. Simek - Freude am Angeln)

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von Oze147 » 08.11.2017, 16:51

Hmmm...ich weiß nicht...also mein Sitznachbar mit der Elvisfrisur findet mich als Angler echt normal...aber ich muss jetzt weiter...treffe mich mit Napoleon zum Tee...is jetzt aber immer schwierig, weil mir die freundlichen Herren im Arztkittel keine Löffel mehr geben, seit ich in der Nacht in die Küche eingebrochen bin und 114 Blinker gebaut habe...

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von Sixpack » 08.11.2017, 21:08

Manchmal kommt man sich wirklich wie ein Alien vor....wenn man z.B. am Wasser beglotzt wird, oder beim nächtlichen Würmersammeln gar des Rosendiebstahls verdächtigt wird... :shock:
Meine Frau ist gottseidank bereits alle meine anglerischen Schrullen gewohnt und wundert sich über gar nichts mehr! :lol:
Für die Maden und Würmer habe ich mittlerweile sogar meinen eigenen Kühlschrank im Keller. (da bleibt sogar noch Platz für ein paar Biere)

Nur ab und zu Fische zu fangen, wäre mir aber zu wenig....-andererseits habe ich meine Erwartungshaltung mit zunehmendem Alter sehr herunter geschraubt,
da meine oberste Intention beim Fischen sicher nicht jene ist irgendwelche Rekorde zu brechen, sondern viel mehr eine angenehme, lässige Zeit am Wasser zu verbringen, abseits jeglichen Alltagsstresses.
My biggest worry is that my wife (when I’m dead) will sell my fishing gear for what I said I paid for it!

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Re: So sind wir-sind wir wirklich so?

Beitrag von Dominik1980 » 13.11.2017, 13:23

Der Text ist eigentlich ganz lustig und hat in bestimmten Bereichen recht.


Was ich allerdings garnicht lustig finde ist die Anmerkung über Donald Klein.

Das wird hingestellt ob alles nur ein kleines Missverständnis gewesen wäre und er
ganz locker mal kurz da im Gefängnis war.
So als kleines Abenteuer eines Mitfünzigers.

Er kommt aus meiner Nachbarschaft und ich angle ab und zu in ''seinem Verein'' und es ist alles andere als Lustig wenn
man weiß das dieser gestandene Mann 10-12 seitige Briefe aus der Haft geschrieben hat in dehnen
er beschreibt wie hilflos man sich in dieser Situation befindet.

Wie es ist dort zu sitzen mit 2 Mann auf 4 qm und später 20 Mann auf 15 qm , ohne vernünftige Toilette , die Sprache
nicht versteht und versucht nicht daran zu zerbrechen.
Dort hilft dir niemand. 1 Jahr zuvor wurde im gleichen Gefängnis eine Kanadische Reporterin
von den Wärtern zu Tode geprügelt.

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