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von Lupus » 23.08.2019, 06:09
DRITTER TEIL:
Ich befand mich frei nach Stefan Zweig´s Novelle ….. in der „Verwirrung der Gefühle“. SELTENER ging ich ins Wirtshaus, weniger trank ich, weniger konzentriert fischte ich, und dafür verweilte ich öfters im Hause in der Hoffnung, irgendeinen Blick, irgenein Wort, irgendeine Gestik der stolzen, unnahbaren Schönen zu erheischen, gleichsam eines kleinen Hündchens, welches um die Gunst der Großen buhlt.
Ich wußte selber nicht, auf was ich hinauswollte, vielleicht wollte ich einfach nur ein bisschen mehr über die schöne Dame wissen und etwa vielleicht gar ein Gespräch mit ihr führen. Es war wie ein Bann ! Ich war wie ferngesteuert und dachte nur mehr daran, wie ich aus dieser einseitigen, stummen Anbeterei irgendwie mehr machen könnte.
Wie aber nur ? Denn außer, dass ich ein hochgeschlossener schlaksiger Teenager mit Maturaabschluss war, der Fische fangen konnte und trinkfest war, hatte ich nicht allzuviel, womit ich irgendjemandem hätte imponieren können, geschweige denn einer ernst und zurückhaltend wirkenden, aber umso schöneren Dame wie dieser .
Hatte ich nicht gerade weiter oben Stefan Zweig erwähnt ? Natürlich ! DAS war die rettende Idee. Ich werde mich als Literaturkenner offenbaren und sie wird mir verkünden, dass sie ebenfalls der Leidenschaft für das Schöngeistige fröhnt und so werden wir uns ….. inspiriert durch die „Verwirrung der Gefühle“, die „Ungeduld des Herzens“ etc. vereint finden und uns lieben, bis der Tod uns scheidet……
So offenbarte ich ihr also tatsächlich mit poetischen Worten, mich in dieser wunderbaren Natur nicht nur an den profanen Zerstreuungen der Fischwaid zu ergötzen, sondern in der Einsamkeit Kraft tanken zu wollen und mich in abendlichen Mußestunden auch an der Lektüre zu ergötzen. Ich hatte nämlich aufgrund ihres lupenreinen Hochdeutschs die Vermutung, dass sie eine gebildete und belesene Frau war, was auch zutraf.
Sie wurde tatsächlich etwas gesprächiger und fragte mich „was ich denn so zu lesen pflege“ und als ich ihr offenbarte, ein großer Verehrer von Stefan Zweig, Hermann Hesse, Josef Roth, Adalbert Stifter etc. zu sein, „gestattete“ sie mir dann doch dann und wann einen „literarisches Gespräch“ wobei sie ein wenig mein literarisches Verständnis testen zu wollen schien, indem sie mir die eine oder andere Frage stellte, wie man diese oder jene Passage wohl interpretieren könne und was uns der Autor mit seinen Zeilen vermitteln will. Sagten ihr meine Antworten zu, so wurde dies mit einer knappen Bemerkung „korrekt“ honoriert.
Mehr konnte ich über sie nicht in Erfahrung bringen.
Ach Gott ! Wie unzufrieden war ich plötzlich auf einmal mit allem, was ich darstellte: Hatte ich noch eine Woche davor als kecker, nicht auf den Mund gefallener Teenager meinen Maturaabschluss gefeiert und mich für „unschlagbar und unwiderstehlich“ gehalten, so wäre ich jetzt ganz gerne in eine andere Persönlichkeit geschlüpft, nämlich so, wie man es aus alten Verfilmungen von Romanen aus der K&K Zeit kennt, wo ich dann ein finanziell unabhängiger Privatier in den besten Jahren wäre, der im schattigen Park einer ehrwürdigen Kuranstalt bestrebt ist, das Herz einer geheimnisvollen, attraktiven Dame der feinen Gesellschaft zu erobern, mit Handkuss und überreichtem Rosenstrauß, und abends dann würde wir wie verzaubert zu den Walzerklängen der Kurkapelle tanzend über´s Parkett gleiten, ich in Smoking oder Frack, sie in einem scheinbar schlichten, aber dadurch umso edler wirkenden schwarzen Abendkleid, denn anders als in schwarz konnte ich sie mir nicht vorstellen……
Soweit zu meinen Tagträumen damals……
Wie Ihr allerdings seht, habe ich mich gegenüber der Dame anständig und sittsam verhalten. Zu groß war mein Respekt vor der schönen geheimnisvollen Frau, und allzu deutlich war ich mir meiner eigenen Grenzen bewusst geworden.
Und so verging die schöne Zeit der stillen Einsamkeit der Fischerei auf die kleinen Schätze des Flüsschens, und die Zeit der „Verwirrung der Gefühle“ meinerseits……., der Tag der Abreise war gekommen.
Die schöne Müllerin gab mir zum Abschied….. dieses einzige Mal…… sogar kurz die Hand und wünschte mir mit ihrer ruhigen aristokratischen Stimme „eine gute Zukunft“. Kein Wort von „besuchen Sie uns doch mal wieder“ oder gar „schreiben Sie mir doch einmal“….., und das, liebe Freunde, war auch gut so.
Ich hatte aber doch ein großes Geschenk mitggenommen, nämlich diese unbezahlbaren Erinnerungen, nicht nur an eine schöne, stimmige Fischerei, sondern an eine kurze, flüchtige Begegnung mit einer in jeder Hinsicht bemerkenswerten Damen. Ich hatte daraus auch eine wichtige Lektion gelernt, nämlich zu erkennen, wo es Grenzen gibt und wo man sich in Dankbarkeit fügt und auch das zunächst scheinbar Wenige, was einem vergönnt wird, zu schätzen weiß.
Das gilt auch für die Angelfischerei, denn sehen wir alle nicht manchmal einen besonders großen und schönen Fisch, den wir allzugerne drillen und keschern möchten, was aber angesichts der Umstände und unserer eigenen bescheidenen Fähigkeiten zum Scheitern verurteilt wäre, weshalb wir uns schließlich einfach daran freuen, dass es dieses Geschöpf überhaupt gibt, ohne dass wir es gleich fangen müssen ?