OHKW hat geschrieben: ↑28.04.2021, 10:50
Wobei man aber anmerken muss, dass das was gemeinhin als "Renaturierung" bezeichnet wird, zumeist nur eine neue Art von Verbau ist. Das Gewässer wird halt entsprechend dem Bild was die Leute von einem Bacherl haben gestaltet. Dass sich das vollkommen selbst überlassen ist ist wohl eher selten der Fall. Das braucht wohl auch seine Zeit bis sich so ein Lebensraum "ausformt". Ich denke man sollte da aufpassen keine vorschnellen Bewertungen vorzunehmen, sonst läuft man Gefahr dass die Kraftwerksbaulobby das gleich zum Anlass nimmt um noch mehr Bäche mit Kleinkraftwerken vollzupflastern, zum "Schutz der Fische", versteht sich.
Das Otter Desaster wird die heimische Fischerei wohl noch länger quälen, wobei ich da drei bis vier Punkte sehe die zu der Situation geführt haben. Zum einen einen unnatürlich hohe Anzahl an Ottern, die durch den ubiquitär vorhandenen Fischbesatz gezüchtet wurden. Auf der anderen Seite sind Fischbestände die a) in den Fließgewässern kaum Deckung finden und wie auf dem Präsentierteller ausgeliefert sind, b) vermutlich auch schon durch die Hegemaßnahmen degeneriert sind (zu wenig scheu, zu langsam etc.) und c) auf Grund von Beeinträchtigung der Nahrungsgrundlage und wiederum Verbau kaum Reproduktionskapazität haben.
Zum letzten Punkt gehört ja auch das Verschwinden von Insekten, Singvögeln, Bodenorganismen usw. usw. Zum Gewässer gehört ja im Grunde auch der ganze umliegende Lebensraum. Da wird man wohl noch viel lernen müssen, wie man das im Endeffekt dann einrichtet dass das einigermaßen selbständig funktioniert.
Natürlich, das hat ein System so an sich. Verändert man ein Glied (z.B. Insekten), hat das Auswirkungen auf alles. Nun ist es aber so, dass bei uns ja so gut wie kein Gewässer mehr naturbelassen ist, kein Wald unbewirtschaftet, keine Alm menschenleer. Sämtliche Lebensräume wurden über Jahrhunderte von uns Menschen geformt. Da jetzt dann plötzlich zu sagen "och, wir lassen alles mal einfach unberührt und nennen das Natur, es wird sich schon selbst regulieren", ist naiv.
Ich habe erst kürzlich mit jemandem über diesen Mythos des "natürlichen Gleichgewichts" gesprochen. Derjenige meinte, dass es dies als solches nicht gibt, sondern nur ein ständiges Hin und Her zwischen Phasen der Vermehrung (= viele Tiere) und Phasen der radikalen Bestandsreduktion (= Seuchen, wenige Tiere, wenige Prädatoren. Dieses Modell würde auch exakt auf den Zustand der renaturierten Lavant zutreffen. Keine Fische mehr, aber noch viele Otter, als nächster Schritt im Prozess müsste nun die Otterbestand abwandern oder sich verringern, bis sich der Fischbestand wieder erholt hat und das Ganze wieder von vorne losgeht.
Nennt mich gerne ignorant, aber als Angler will ich in erster Linie einen guten Fischbestand haben und es kümmert mich relativ wenig, wie wohl sich die Otter fühlen.